Die Sonne spiegelt sich auf dem See und ich kann die Pflanzen nicht mehr erkennen, bis eine Wolke vorbeizieht. Da ist der Seetang wieder, er treibt ruhig im klaren Wasser dahin, doch als ich meine Hand untertauche, komme ich nicht an ihn heran. Ich hole tief Luft und versuche, mich zu überwinden, mit dem Kopf unter Wasser zu gehen. Dann tauche ich so kurz wie möglich unter, greife nach der Pflanze, die aber nicht da ist, wo sie vorher zu sein schien. Über Wasser öffne ich die Augen und betrachte vorwurfsvoll die Oberfläche. 
Das Wasser ist auf einmal seltsam trüb, ich kann meine Füße nicht mehr sehen. Vielleicht Algen, denke ich und drehe mich um, um den Rückweg zu Kimm anzutreten. Ich blicke auf, aber Kimm ist nicht mehr da. Ich schaue zum Ufer, wo die anderen sind … oder eher: waren. 
Was zum ...?
Ich bin allein, mitten im See, und das Ufer ist plötzlich viel zu weit entfernt. Raschen Schrittes stapfe ich zurück, was aber gar nicht so leicht ist, wenn man bis zum Bauch im Wasser steht. Mein Blick sucht den Strand ab. 
Wo zum Teufel sind die alle hin?, schießt es mir durch den Kopf. Das Ufer liegt verlassen da. Fünf Jugendliche können doch nicht einfach verschwinden? 
Ein mulmiges Gefühl macht sich in meinem Magen breit. Ich gehe so schnell wie möglich weiter, aber das Ufer kommt überhaupt nicht näher. Es scheint eher vor mir zurückzuweichen. Meine Bewegungen werden immer schwerfälliger und als ich hinabsehe, ist vom glasklaren Wasser nichts übrig geblieben. Eine bräunliche Brühe umgibt mich, dicker als Kartoffelsuppe. 
Es wird dunkel über meinem Kopf, mit plötzlicher Endgültigkeit. Mein Herz klopft mir bis zum Hals. Ich ahne, was das bedeutet. Aber dieses Mal ist niemand da, der mir helfen könnte.
„Kimm?“, frage ich durch die Dunkelheit. „Leo?“ 
Ich bin blind. 
Ich fühle das ölig-warme Wasser auf meinem Bauch, meine Hände können seine Oberfläche ertasten. Mein Ruf hallt über die Weite des Wassers, und plötzlich überkommt mich das Gefühl, dass ich in der Mitte des Sees stehe. Ich habe keine Ahnung, aus welcher Richtung ich gekommen bin. Nicht einmal unter normalen Umständen hätte ich so eine Strecke schwimmen können, im Dunkeln schon gar nicht. 
„Leo!“, schreie ich, so laut ich kann. Aber meine Stimme klingt dumpf und erstickt, als wäre nicht nur das Wasser, sondern auch die Luft dick wie Brühe. Mein Atem geht rasch, während ich versuche, ruhig zu bleiben und einen klaren Gedanken zu fassen.
In diesem Moment verschwindet der Boden unter meinen Füßen.